Altersgerechtes Bauen weiter fördern

Altersgerechtes Bauen weiter fördern

Große Koalition will neues KfW-Programm auflegen – Experte: Schweiz als Vorbild

Nur etwa ein Prozent der Wohnungen in Deutschland sind nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung altersgerecht. Der Bedarf – auch mit Blick auf den demografischen Wandel der Gesellschaft – liegt weit höher. Kurzfristig würden 2,5 Millionen Wohnungen, bis 2020 drei Millionen gebraucht. Vor diesem Hintergrund begrüßt Diplom-Ingenieur Marco Gedert, Experte für barrierefreies Bauen und Wohnen und Geschäftsführer des Portals barrierefrei.de, die Pläne der großen Koalition, zukünftig altersgerechtes Bauen mit einem neuen KfW-Förderprogramm zu unterstützen. „Mit dem demografischen Wandel verhält es sich ähnlich wie mit dem Klimawandel: Fast jeder denkt, das betrifft andere zuerst. Es gibt zwar ein diffuses Gefühl einer Bedrohungslage, aber man schiebt es gern zur Seite. Wenn der Pflegefall eintritt, ist es dann oft zu spät“, weiß Gedert aus seinem Beratungsalltag. Ohne Förderung und finanzielle Anreize werde es nicht gelingen, den immensen Bedarf an altersgerechtem Wohnraum für die Zukunft zu decken.

Barrierefreiheit gesetzlich verankern, fordert Fachmann Marco Gedert

Mit der Neudefinition des Begriff der Pflegebedürftigkeit und der Besserstellung von Demenzkranken in der Pflegeversicherung sowie dem Bekenntnis dazu, ältere Menschen auch mit technischen Anlagen, finanziert über die Pflegeversicherung, dabei zu unterstützen, im Alter in ihrem Zuhause bleiben zu können, gehe die große Koalition in die richtige Richtung. Wer jedoch eine inklusive Gesellschaft erreichen wolle, müsse Barrierefreiheit umfassend umsetzen und die Missachtung auch sanktionieren. Beispiel, weiß Marco Gedert, könne hierfür die Schweiz sein. Auch wenn das Land die UN-Behindertenrechtskonvention nicht ratifiziert habe, setze man hier auf eine Verpflichtung zum barrierefreien Bauen: „In unserem Nachbarland sind nicht nur staatliche Institutionen sondern auch Anbieter privater Dienstleitungen per Gesetz dazu verpflichtet, bei Neu- und Umbauten einen barrierefreien Zugang im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten. So wird sichergestellt, dass Barrierefreiheit dort gegeben ist, wo das Leben stattfindet.“

Nach dem Schweizer Modell findet das Behindertengleichstellungsgesetz Anwendung bei Neu- und Umbauten von öffentlich zugänglichen Gebäuden, Bauten mit mehr als 50 Arbeitsplätzen sowie bei  Wohnbauten mit mehr als acht – in einigen Kantonen sogar ab vier oder sechs Wohneinheiten. Mit öffentlich zugänglichen Bauten sind explizit sämtliche Bauten, die Publikumsverkehr aufweisen gemeint, wie zum Beispiel Restaurants, Arztpraxen, Kinos oder Theater.

„Wo Deutschland auf freiwilliges privates Engagement und Förderung setzt, fordern die Schweizer Barrierefreiheit ein und verfolgen das Prinzip einer präventiven Sanktionierung durch ein Netz von Beratungsstellen, die schon im Vorfeld eines Bauantrags helfen, Bauvorhaben so zu gestalten, dass sie im Einklang mit dem Behindertengleichstellungsgesetz stehen.“ Nach Angaben der Schweizerischen Fachstelle für Behindertengerechtes Bauen werde so sichergestellt, dass von im Schnitt 7000 genehmigungspflichtigen Bauten mit Publikumsverkehr in der Schweiz etwa 3000 pro Jahr barrierefrei ausgebaut werden. Das ist fast die Hälfte. Ein Bewusstsein für barrierefreie Baugestaltung sei mittlerweile in dem Land weit verbreitet.